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  • Einleitung

Die Koalition «Lang leben unsere Produkte!» wurde im Oktober 2022 gegründet und vereint heute 20 Wirtschafts-, Umwelt- und zivilgesellschaftliche Organisationen aus der ganzen Schweiz, die entschlossen sind, die Entwicklung der Kreislaufwirtschaft in der Schweiz zu fördern. Sie alle sind der Meinung, dass es heute unabdingbar ist, den Materialkreislauf zu schliessen und zu verlangsamen, um Ressourcen zu schonen. Damit dies gelingt, sollen Konsumentinnen und Konsumenten über echte Alternativen zur Entsorgung der Produkte verfügen. Insbesondere durch die Reparatur und die Wiederverwendung der Produkte kann die Lebensdauer dieser verlängert werden. Diese Aktivitäten bergen ein hohes Potenzial zur Schaffung von lokalen Arbeitsplätzen und stärken die Schweizer Innovationskraft.

 

  • Von der Koalition unterstützte Artikel (Kernanliegen)

Die Mitgliedsorganisationen unterstützen die aktuelle Vorlage zur Revision des Umweltschutzgesetzes (USG) mit grosser Überzeugung. Sie plädieren jedoch dafür, dass die Vorlage keinesfalls abgeschwächt wird, damit die neuen Bestimmungen ihre Wirkung in der Praxis tatsächlich entfalten können. Diese Gesetzesrevision ist wesentlich für die Schaffung der rechtlichen Grundlagen, um die Reparatur und Wiederverwendung von Produkten zu stärken. Diese sind für eine Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit unabdingbar. 

Von den Bestimmungen zur Förderung der Kreislaufwirtschaft unterstützt die Koalition insbesondere folgende Artikel, die das Kernanliegen darstellen:

 

Artikel 35i Abs. 1

Die Koalition ist besonders erfreut darüber, dass der Nationalrat den Art. 35i Abs. 1 mit der Ergänzung der Buchstaben c und d angenommen hat. Neben der Relevanz einer einheitlichen Information und Kennzeichnung – vergleichbar, sichtbar und verständlich (Bst. c) – begrüsst die Koalition auch die spezifische Einführung eines Reparatur-Indexes (Bst. d). Es handelt sich dabei um ein ausgezeichnetes Mittel, um Angebot und Nachfrage in Richtung von mehr nachhaltiger Produktion und Konsumentscheide zu lenken (siehe Kasten).

Es ist dennoch ratsam, dem Bundesrat einen klareren Auftrag zuzuordnen, indem die in Art. 35i Abs. 1 vorgesehenen Aufgaben deutlich an ihn delegiert werden. Denn die «Kann»-Formulierung droht dazu zu führen, dass der Artikel keine Wirkungen erzielt. Dies ist auch bei anderen USG-Artikeln der Fall, von denen der Bundesrat bisher keinen Gebrauch macht (siehe Art. 30a weiter unten). 

Formulierung von Art. 35i Abs. 1 gemäss Forderung der Koalition (unterstrichene Stelle: Anpassung der vom Nationalrat verabschiedeten Version):

1 Der Bundesrat stellt nach Massgabe der durch Produkte und Verpackungen verursachten Umweltbelastung Anforderungen an deren Inverkehrbringen, insbesondere über:

  • die Verwertbarkeit sowie die Lebensdauer, Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Reparierbarkeit bei Produkten;
  • die Vermeidung schädlicher Einwirkungen und die Erhöhung der Ressourceneffizienz entlang des Lebenszyklus;
  • die einheitliche, vergleichbare, sichtbare und verständliche Kennzeichnung und Information; und
  • die Einführung eines Reparatur-Indexes.

 

Reparatur-Index: ein bedeutender Fortschritt für die Konsumentinnen und Konsumenten und ein Anreiz zum Ökodesign für Produzentinnen und Produzenten

Der Reparatur-Index wird in Frankreich seit 2021 verwendet. Seine Einführung wird nun auch von der Europäischen Kommission geprüft. Gemäss einer Studie des Observatoire Cetelem (2022), die in 17 Ländern durchgeführt wurde, halten 86 % der Europäerinnen und Europäer einen Reparatur-Index für wichtig oder sehr wichtig, um ein Produkt auszuwählen. 70 % sind sogar bereit, mehr dafür zu bezahlen.

Die Studie der französischen Agentur für den ökologischen Wandel (ADEME) zeigt, dass nach nur einem Jahr nach Einführung des Indexes 76 % der Französinnen und Franzosen davon gehört hatten. 88 % gaben zu Protokoll, dass der Index für sie einen Anreiz schaffe, die Reparatur dem Ersatz eines Produktes vorzuziehen. Der Bericht zeigt auch, dass der Index zwar das Ökodesign begünstigt, er aber auf weitere Länder ausgeweitet werden muss, um tiefgreifende Veränderungen bei den Herstellern herbeizuführen.

In der Schweiz hat die Umfrage der Allianz der Konsumentenschutz-Organisationen (SKS, FRC, ACSI) ergeben, dass die Befragten die Einführung einer solchen Kennzeichnung mit grosser Mehrheit (98 %) befürworten und dass eine lange Lebensdauer beim Kauf eines Elektrohaushaltsgeräts ein entscheidender Faktor (64 %) ist. Die Einführung eines Reparatur-Index wird ausserdem durch das Nationale Forschungsprogramm «Nachhaltige Wirtschaft» (NFP 73) in ihren Schlussfolgerungen zur Kreislaufwirtschaft dringend empfohlen.

 

Artikel 10h und 49a

Diese beiden Artikel bilden in den Augen der Koalition den anderen grundlegenden Fortschritt dieser Revisionsvorlage. Der neue Art. 10h erlaubt es, das zu tief gesteckte Ziel der Abfallverwertung (Recycling) zu ergänzen, indem er den Einbezug der Umweltbelastung der Produkte während ihres gesamten Lebenszyklus im Gesetz verankert (Art. 10h Abs. 1). Er erlaubt es dem Bund zudem, sich konkret für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft einzusetzen (Abs. 2), und zwar indem er Plattformen zur Schonung der Ressourcen und zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft unterstützt. Mit dem neuen Art. 49a kann der Bundesrat Finanzhilfen ausrichten, was für die Kreislaufwirtschaft begrüssenswert und notwendig ist. Die Koalition begrüsst folglich die Beschlüsse des Nationalrats. 

 

  • Weitere Vorschläge für eine stärkere Entwicklung der Kreislaufwirtschaft

Die Koalitionsmitglieder sind der Meinung, dass weitere Anpassungen der Vorlage es erlauben würden, die Ambitionen der parlamentarischen Initiative 20.433 besser zu verwirklichen.

 

Ergänzung von Art. 7 Abs. 6bis

Die Koalition schlägt vor, in Art. 7 Abs. 6bis die «Vorbereitung zur Wiederverwendung der Abfälle» genauer zu definieren, indem man sich an die Formulierung des europäischen Rechts anlehnt. Die Wiederverwendung bleibt dabei im Bereich der Entsorgung. Dies erlaubt es, ihre Finanzierung zu garantieren sowie die Reparatur und die Wiederverwendung als Aktivitäten der stofflichen Verwertung festzuhalten.

6bis (…) zur Wiederverwendung der Abfälle. Unter Vorbereitung zur Wiederverwendung wird jeglicher Kontroll-, Reinigungs- oder Reparaturprozess zur stofflichen Verwertung verstanden, durch den zu Abfall gewordene Produkte oder Produktbestandteile so aufbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung wiederverwendet werden können. 

 

Änderung Artikel 30a

Die Vorlage umfasst keine neuen Bestimmungen betreffend die Vermeidung von Abfällen, obwohl diese für die Kreislaufwirtschaft zentral sind. Die Koalition empfiehlt deshalb, neben dem bereits bestehenden Verbot für das Inverkehrbringen von gewissen Einwegprodukten eine Kostenpflicht einzuführen und diese Aufgaben dem Bundesrat klar zuzuweisen. Die aktuelle «Kann»-Formulierung von Art. 30a hat bisher keine Wirkung erzielt. 

1 Der Bundesrat muss:

  • das Inverkehrbringen von Produkten, die für eine einmalige und kurzfristige Verwendung bestimmt sind, einer Kostenpflicht unterstellen oder verbieten, wenn deren Nutzen die durch sie verursachte Umweltbelastung nicht rechtfertigt; 
  • die Verwendung von Stoffen oder Organismen, welche die Entsorgung erheblich erschweren oder bei ihrer Entsorgung die Umwelt gefährden können, einer Kostenpflicht unterstellen oder verbieten;
  • Hersteller verpflichten, Produktionsabfälle zu vermeiden, für deren umweltverträgliche Entsorgung keine Verfahren bekannt sind.

 

Ergänzung Artikel 30dbis – Vorbereitung zur Wiederverwendung (neu) 

Die Wiederverwendung und die Reparatur von Produkten müssen Vorrang vor dem Recycling haben. Aktuell sind Konsumentinnen und Konsumenten noch mit zahlreichen Hürden konfrontiert, wenn sie Produkte wiederverwenden oder reparieren wollen. Die Ergänzung durch diesen neuen Artikel zielt also darauf ab, diese Verfahren hierarchisch zu gliedern, um die Entwicklung der entsprechenden Aktivitäten zu erleichtern und zu unterstützen, wo dies angebracht ist. 

Im Bereich der Reparatur stellen die Arbeitskosten weiterhin eine bedeutende Hürde dar. Deshalb unterstützt die Koalition die Einführung eines «Reparaturbonus», wie er in bestimmten europäischen Ländern bereits in einer Form existiert (siehe Kasten).

Art. 30d bis Vorbereitung zur Wiederverwendung (neu)

1 Der Bundesrat kann verordnen, dass bestimmte Abfälle vorrangig einer Wiederverwendung und der entsprechenden Vorbereitung unterzogen werden, wenn es die Technik erlaubt, wenn es wirtschaftlich tragbar ist und wenn diese Option umweltverträglicher ist als eine andere stoffliche Verwertungsweise, eine andere Entsorgungsmethode oder die Produktion neuer Produkte. 

Der Bundesrat fördert die Vorbereitung zur Wiederverwendung in Zusammenarbeit mit den Kantonen und Wirtschaftsvertretern. Er kann insbesondere ein System zur Unterstützung der Reparatur einführen, das darauf abzielt, die Bevölkerung dazu zu veranlassen, ihre Konsumgüter reparieren zu lassen (Reparaturbonus). 

3 Der Bundesrat sorgt dafür, dass die Hürden für die Wiederverwendung begrenzt werden, um insbesondere den Zugang zu Ersatzteilen und Software-Updates der auf dem Schweizer Markt verkauften Produkte oder zu deren Gebrauchsanweisungen und Plänen zu erleichtern.

Reparaturbonus: ein Anreiz, um die hohen Arbeitskosten zu adressieren und die Entwicklung der lokalen Wirtschaftsaktivitäten im Bereich Reparatur zu fördern.

In Österreich deckt der im April 2022 eingeführte Reparaturbonus 50 % der Reparaturkosten bis zu einer Höhe von 200 Euro. Ein Jahr nach der Einführung zieht das Bundesministerium für Klimaschutz und Umwelt eine sehr positive Bilanz mit über 560’000 eingelösten Reparaturbons – das für Anfang 2026 prognostizierte Ziel von 400’000 Reparaturen wurde also bereits übertroffen. In ganz Österreich beteiligen sich über 3’500 Partnerunternehmen und es werden stetig mehr.

In Frankreich hat die Regierung Ende 2022 eine finanzielle Unterstützung für Reparaturen bereitgestellt, nachdem sie festgestellt hatte, dass 53 % der Menschen die Reparatur als teurer einschätzten als den Kauf eines neuen Produkts. Auch wenn der Betrag mit 10 bis 45 Euro pro Reparatur für rund 50 Geräte (z.B. Velos, Smartphones, Tablets, Waschmaschinen, Fernsehapparate) bescheiden ist, hat er bereits zu einem Anstieg der Nachfrage geführt. Da die Begeisterung bescheiden ausfiel (500’000 Euro Bonuszahlungen im Jahr 2023 bei vorgesehenen 62 Millionen Euro), wurde der Betrag ab dem 1. Juli 2023 verdoppelt und die Liste der reparierbaren Defekte wurde erweitert (z.B. Ersatz eines Smartphone-Bildschirms). Zudem ist vorgesehen, die Anzahl zugelassener Reparaturwerkstätten zu erhöhen.

 

Artikel 35j Abs. 1bis

Die Festlegung von Grenzwerten für die indirekten Treibhausgasemissionen von Bauwerken ist ein wirkungsvolles Instrument zur Förderung der Kreislaufwirtschaft – insbesondere für Aktivitäten, die mit der Wiederverwendung zusammenhängen. Die Koalition setzt sich deshalb weiterhin dafür ein, dass Grenzwerte in der Vorlage miteinbezogen werden.

 

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